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The green way to a quick pill

Wednesday, 25 October 2023

Graz-based researchers from the Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) and the University of Graz have found a way to make the industrial production of medicines, flavorings, aromas and biopolymers more environmentally friendly. Unlike chemical processes that use toxic heavy metals, the new biocatalytic synthesis pathway uses natural enzymes as reaction accelerators. In combination with an innovative search and analysis process for enzymes, products can be produced faster and much more cheaply than before. The process has already been launched on the market: The Styrian company bisy is now using the new method to search for new enzymes for customers worldwide.

 

Die Medizin- und Pharmaindustrie sind bei der Herstellung von Medikamenten nach wie vor auf gesundheits- und umweltschädliche Chemikalien angewiesen. Oft handelt es sich dabei um Schwermetalle, die als Katalysatoren unterschiedlichste chemische Reaktionen in Gang setzen oder beschleunigen. „Schwermetall-Verbindungen sind hochreaktiv. Außerdem arbeiten diese Reaktionen unter hohen Temperaturen und in Gegenwart von organischen Lösungsmitteln. Dadurch fallen unerwünschte Nebenprodukte an, die kostenintensiv als Müll entsorgt werden müssen", erklärt Wolfgang Kroutil, acib-Key Researcher und Wissenschaftler am Institut für Chemie der Uni Graz. „Es braucht oft eine große Anzahl an Prozessstufen und Umwege, um von A nach B zu kommen, wodurch chemische Reaktionen zeitintensiv und aufwändig werden. Das ist mitunter ein Grund, warum die Medikamentenentwicklung so lange dauert.“


Umweltfreundliche Herstellungsprozess dank Biokatalyse

Die Steirischen Forscher:innen haben nun einen biokatalytischen Weg gefunden, um der Industrie eine umweltfreundlichere und raschere Entwicklung von Medikamenten zu ermöglichen: „Aus der Forschungsliteratur wussten wir, dass es in der Natur Biokatalysatoren gibt, die Reaktionen ermöglichen, die die etablierte Schmermetallkatalyse nicht kann. Deshalb haben wir uns in der Natur umgeschaut, welche Werkzeuge sich für biokatalytische Prozesse eignen würden“, führt der Chemiker aus. Kroutil und sein Team entwickelten eine biokatalytische Reaktion, die als einziges Reagenz kostengünstiges und leicht zugängliches Wasserstoffperoxid verwendet – das man vom Haare bleichen beim Frisör oder der Munddesinfektion beim Zahnarzt kennt. „Hierfür mussten wir allerdings zuerst einen Biokatalysator, also ein Enzym finden. Wir testeten über 4.000 Enzymvarianten im Labor auf ihre Eigenschaften“, erklärt er.

 

Alexander Swoboda, Dissertant in Kroutils Team und Katharina Ebner, Forscher:in der bisy GmbH, machten schließlich eine bahnbrechende Entdeckung: „Wir konnten in einem Set von 44 Pilzenzymen Biokatalysatoren nachweisen, die in der Natur wahrscheinlich dazu da sind, schwerabbaubare Holzbestandteile wie Lignin abzubauen. Nur wussten wir bisher nicht, dass diese Enzymklasse der unspezifischen Peroxygenasen (UPOs) ebenso biokatalytische Hydroxylierungen durchführen kann, die über klassische chemische Wege bisher nicht umsetzbar waren“, zeigen sich die Forscher:innen erstaunt. Die Forschungsergebnisse der Grazer Biotechnologen wurden kürzlich in der renommierten Zeitschrift Angewandte Chemie als „Very important paper“ publiziert.


Nebenwirkungen von Medikamenten vermeiden

Doch bevor die von Pilzen abstammenden Enzyme als Reaktionsbeschleuniger für die industrielle Entwicklung von Medikamenten eingesetzt werden können, müssen sie zuerst auf ihre Enantiopräferenz getestet werden, das heißt auf ihre Fähigkeit, zwischen Enantiomeren zu unterscheiden. Bei Enantiomeren handelt es sich um Atomgruppen eines Moleküls, die räumlich zueinander wie linke Hand und rechte Hand angeordnet sind, aber ansonsten in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften ident sind. Der Unterschied ist wichtig für ihre Reaktivität gegenüber anderen dreidimensionalen, chiralen Verbindungen wie jene Biomoleküle in unserem menschlichen Körper.

Man kann sich das so vorstellen wie beim Händeschütteln: Während wir die rechte Hand zum Gruß hinstrecken, erwarten wir, dass das Gegenüber uns ebenso die rechte Hand gibt. Die linke Hand hingegen würde für Irritationen sorgen. Übersetzt für Medikamente heißt das, dass das falsche Enantiomer sogar toxisch sein könnte.

„Wir müssen daher die Präferenz eines Enzyms herausfinden. Welches Enantiomer, welche Hand, produziert es? Nur so kann das richtige Medikament hergestellt werden und nur dann können sich Körper und Medikament die ‚richtige‘ Hand geben und das Medikament seine Wirkung entfalten“, erklärt Kroutil.

 

Swoboda erwähnt eine weitere Hürde: „Die schnelle, einfache Bestimmung der Enantiopräferenz ist eine Herausforderung. Untersuchungsverfahren wie spektrophotometrische Hochdurchsatzscreenings wurden in der Biokatalyse bislang selten durchgeführt.“ „Das ist besonders für kleinere Firmen sehr wichtig, da diese Verfahren auch ohne teure Analysengeräte durchgeführt werden können“, ergänzt Anton Glieder, Gründer der Firma bisy GmbH in Gleisdorf.
 

 

Schneller die Nadel im Heuhaufen finden

Aus diesem Grund entwickelten Swoboda und seine KollegInnen ein neues, innovatives Such- sowie Untersuchungsverfahren für Enzyme: „Der enantioselektive Hochdurchsatz-Test macht es möglich, in wenigen Tagen und nicht wie sonst Wochen die Nadel im Heuhaufen zu finden, in unserem Fall einen Biokatalysator für eine spezifische Anwendung, und diesen Biokatalysator auf seine Eigenschaften zu testen. Der Assay gibt uns zwei Arten von Informationen aus: Wie gut performt das jeweilige Enzym? Und welche Enantiopräferenz besitzt es, das heißt, bildet es die linke oder rechte Hand aus – oder beide?“ erklärt Kroutil.

 

Die neue Methode hat das Potenzial, die Entwicklungsphase von Prozessen erheblich zu beschleunigen. Dadurch könnten Medikamente nicht nur schneller auf den Markt kommen, sondern auch wesentlich günstiger produziert werden. „Die neue Reaktion hat zudem den Vorteil, dass die biokatalytische Herstellung von Pharmazeutika einen wesentlich kleineren CO2-Fußabdruck mit sich bringt: Giftige Schwermetalle als Reaktionsbeschleuniger, schädliche Lösungsmittel als Substrate und teure Prozessinfrastruktur entfallen, da Prozesse unter Raumdruck, in wässrigem Milieu und unter normalem Umgebungsdruck durchgeführt werden“, so Swoboda.

 

 

Enzymkits bereits industriell am Markt angewendet

Die Steirischen Forscher:innen konnten noch einen weiteren Erfolg verbuchen: „In einem strategischen acib-Projekt arbeiten wir mit der Firma bisy zusammen, die sich auf die Herstellung von Enzymen aus Pilzen spezialisiert“, so Kroutil. „Die bisy GmbH ist derzeit weltweit die einzige Firma, welche in der Lage ist, diese Enzyme im Kilogramm- Maßstab herzustellen und für Kunden verfügbar zu machen – ein Erfolg einer weiteren Kooperation zwischen bisy und dem acib“ erklärt Glieder. Damit können Firmen weltweit ihre Substrate und Reaktionen testen und neue Produkte in kürzerer Zeit auf den Markt bringen – von Pharmazeutika reicht die Palette über Geschmacks- und Aromastoffe bis hin zu Biopolymeren.

 


Publikation:

Enantioselective High-Throughput Assay Showcased for the Identification of (R)- as well as (S)-Selective Unspecific Peroxygenases for C−H Oxidation
Alexander Swoboda, Lukas Johannes Pfeifenberger, Zerina Duhović, Moritz Bürgler, Dr. Isabel Oroz-Guinea, Klara Bangert, Florian Weißensteiner, Lena Parigger, Katharina Ebner, Anton Glieder, Wolfgang Kroutil. Angew. Chem.Int. Ed. 2023, e202312721 (8 pages). https://doi.org/10.1002/anie.202312721

 


Über acib

Das 2010 gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Biotech-, Chemie- und Pharmaindustrie und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild. Das internationale Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie ist eine Non-Profit- Organisation mit weltweiten Standorten und Hauptsitz in Graz. acib versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. acib-Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die Technische Universität Graz, die BOKU Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen des COMET-Programms durch das BMK, BMAW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.

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