Verschiedenste Produkte, von Medikamenten über Aromastoffen bis hin zu Parfüms, erzeugt die chemische Industrie in großem Maßstab. Dabei entstehen aber auch Unmengen von Abfall – zum Beispiel sind es für jedes Kilogramm Arzneimittel bis zu 100 Kilogramm Müll. Diesen weitgehend zu vermeiden, ist das Ziel eines internationalen Forschungsteams mit Beteiligung der Universität Graz. Im Projekt „CLASSY“ suchen die WissenschafterInnen nach einer neuen Methode, um chemische Produktionsprozesse umweltfreundlich zu gestalten. „CLASSY“ hat im hochkompetitiven Forschungsförderungsprogramm der EU, Horizon 2020, eine Subvention in der Höhe von 3,8 Millionen Euro eingeworben und läuft nun für vier Jahre.
Von der Zelle lernen
Als Vorbild nehmen die ForscherInnen und ExpertInnen aus Österreich, Spanien, Israel, der Schweiz und den Niederlanden die kleinste lebende Einheit aller Organismen – die Zelle. Wolfgang Kroutil und Christoph Winkler vom Institut für Chemie der Uni Graz erklären: „In einer Zelle laufen gleichzeitig tausende Reaktionen sehr kontrolliert und effizient ab. Zum Beispiel strukturieren sich Moleküle nach einem bestimmten Muster selbst. In der Zelle wird die Geschwindigkeit, mit der Reaktionen ablaufen, außerdem genau gesteuert. Daher kann sie eine enorme Vielfalt von komplexen Produkten ohne Abfall synthetisieren.“ Mit all diesen Fähigkeiten – und noch einigen mehr – wollen die WissenschafterInnen ihre Herstellungsverfahren ausstatten. Dabei kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. Die Grazer Forscher steuern ihr Spezialgebiet, das Konzept der Biokatalyse, bei. Enzyme aus der Natur fungieren hier als Katalysatoren, die die chemischen Produktionsprozesse vereinfachen und umweltschonend gestalten. Deshalb sind auch keine teuren Geräte oder Chemikalien nötig und es entstehen keine giftigen Abfallprodukte. „Unser Ziel ist es, die molekulare Synthese so zu revolutionieren, dass eine nachhaltige, grüne Chemieindustrie in Zukunft möglich sein wird“, unterstreicht Wolfgang Kroutil.
Vom Ursprung des Lebens
Im Zuge ihrer Arbeit erhoffen sich die ForscherInnen außerdem, mehr über den Ursprung des Lebens an sich herauszufinden. „Wir wissen noch längst nicht alles über die so genannte ‚Ursuppe‘ aus der die ersten Zellen entstanden sind, und welche Zwischenschritte dabei passiert sind. Wenn wir herausfinden, wie sich die Zelle selbst organisiert und wie sie ihre Reaktionen kontrolliert, machen wir einen wesentlichen Schritt in Richtung eins grundlegenden Verständnisses des Ursprungs des Lebens“, schildert Christoph Winkler.