Dass Pflanzen den lebensnotwendigen Sauerstoff im Rahmen der Photosynthese produzieren, ist Schulwissen. Dass dieser biochemische Prozess auch in einigen Bakterien abläuft, ist weniger bekannt. Und dass die so genannten Blaugrünbakterien in ihrem Inneren Licht in chemische Energie umwandeln, ist ein Fall für die Forschung.
Genau diese Photosynthese-Fähigkeit dieser Bakterien macht sich jetzt ein Team rund um Wolfgang Kroutil vom Institut für Chemie der Universität Graz zunutze. „Die Blaugrünbakterien liefern uns quasi einen kostenlosen Energiekick. Dadurch können wir chemische Produktionsprozesse, zum Beispiel für Medikamente, maßgeblich vereinfachen und günstiger gestalten“, erklärt Kroutil. Das Verfahren wurde zum Patent angemeldet. Es entstand in einem Teilbereich des EU-Projekts PhotoBioCat, das Robert Kourist, Institut für Molekulare Biotechnologie der TU Graz, koordiniert.
Blaugrünbakterien: Lichtenergie im Inneren
Blaugrünbakterien sind an vielen Orten zu finden: in Süß- und Meereswasser, aber auch in Feuchtböden, auf Baumrinden oder Gesteinsoberflächen. Ihre Fähigkeit zur Photosynthese macht sie zu idealen Energielieferanten – sie arbeiten schnell, einfach und gratis. Dennoch hat man sie bislang in der chemischen Produktion kaum eingesetzt. Hauptsächlich deshalb, weil sie ungern Störenfriede in ihrem Inneren dulden, erklärt Kroutil. Er hat deshalb einen neuen Zugang gewählt.
Chemische Reaktions-Systeme: einsatzbereit innerhalb weniger Tage
Mit folgendem „Trick“ waren die ForscherInnen erfolgreich: Sie verwendeten ein bestimmtes Molekül für den Transport der Lichtenergie aus dem Inneren der Bakterien zu einem Enzym außerhalb der Zellen. Das Transport-Molekül gibt die gebundene Energie außerhalb der Zelle wieder ab, wo sie für jede passende chemische Reaktion nutzbar ist. „Normalerweise dauert es sechs Monate oder länger, bis man ein Setting gebaut hat, in dem Blaugrünbakterien auf die Fähigkeit, Stoffe umzusetzen, getestet werden können. In Zukunft können wir diese Tests binnen weniger Tage schaffen. Und das bedeutet wiederum, dass weitere Produktionsprozesse schneller gestartet werden können“, unterstreicht Christoph Winkler, gemeinsam mit Valentina Jurkas Teil von Kroutils Forschungsteam. Vor allem in der industriellen Großproduktion, etwa im Pharmabereich, bedeutet eine effizientere Handhabe der Herstellungsprozesse auch eine enorme Kostenersparnis. Gleichzeitig fällt durch die Verwendung von Licht als Reagenz weniger Abfall an.
Weitere Infos zum Projekt „PhotoBioCat“
Im EU-Projekt „PhotoBioCat. Light-driven sustainable biocatalysis training network“ nutzen internationale DoktorandInnen unter Anleitung von ExpertInnen den „Treibstoff“ Licht, um enzymatische Reaktionen – etwa mittels der Blaugrünbakterien – zu beschleunigen. Damit soll die biokatalytische Herstellung von Chemikalien erheblich nachhaltiger werden. Das Projekt wird im Rahmen des EU-Programmes Horizon2020 Marie Sklodowksa-Curie Actions – European Joint Doctorates mit rund drei Millionen Euro gefördert. Neben der TU Graz (Lead, für den Verbund NAWI Graz) und der Universität Graz sind sieben weitere Universitäten an Bord, dazu acht Industriepartner.